Silja Püntener (Umweltwissenschaftlerin) und Basil Gantenbein (Geograf) leiten die myclimate Energie- und Klimawerkstatt. Das Projekt läuft seit mittlerweile zehn Jahren erfolgreich und gilt als eines der Vorzeigeprojekte in der Schweizer Berufsbildungslandschaft.
Die Energie- und Klimawerkstatt sensibilisiert Lernende für die Themen nachhaltige Energiezukunft und Klimaschutz, indem sie die jungen Leute motiviert, im Ausbildungsbetrieb, in der Berufsschule oder zu Hause eigene Energie- oder Klimaprojekte umzusetzen. Den zwölf Besten der jährlich jeweils über hundert für den Wettbewerb eingereichten Projekte winken attraktive Preise. Im Interview geben die beiden Mitarbeitenden von myclimate ausführlich Auskunft über das Projekt.
Was ist Ihre persönliche Motivation, sich für das Klima einzusetzen? Silja Püntener: Meine Motivation widerspiegelt sich im alten indischen Sprichwort: «Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen.» Unser heutiges Tun kann die weitreichenden Folgen des Klimawandels gemäss aktueller Forschung noch abwenden. Es ist aber höchste Zeit, und ich bin überzeugt, dass jeder Mensch einen Beitrag für ein besseres Klima leisten kann und muss. Es gilt, allen die eigenen Handlungsoptionen aufzuzeigen und sie zum Handeln zu motivieren.
Basil Gantenbein: Der Klimawandel ist aus globaler und gesellschaftlicher Sicht die wohl grösste Herausforderung unserer Zeit. In Anbetracht des Ausmasses und der Folgen, welche hunderte Jahre in die Zukunft reichen werden, vielleicht sogar die grösste Herausforderung der Menschheit. Es fasziniert und motiviert mich, hier meinen Beitrag leisten zu können. Unsere Generation hat in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten die Möglichkeiten, das Wissen und die einmalige Chance, die Weichen richtig zu stellen. Später werden wir uns sonst wohl vor allem mit den Folgen beschäftigen müssen.
Welchen Beitrag leistet myclimate? SP: Die Stiftung myclimate engagiert sich aus drei Bereichen heraus für wirksamen Klimaschutz: nationale und internationale Klimaschutzprojekte, Beratungen von Organisationen und Unternehmen zu CO2-Management, Ressourcen- und Energieeffizienz sowie die Entwicklung und Umsetzung von Bildungsprojekten. Die Vision einer Low Carbon Society steht bei allem Handeln im Vordergrund. Unser Ziel ist es, Firmen, Institutionen und Privatpersonen das Wissen und die Mittel in die Hand zu geben, die sie für den eigenen Klimaschutz benötigen.
Wieso ist Bildung zum Thema Klima wichtig? BG: Im Gegensatz zu früheren Umweltherausforderungen hat der Klimawandel zwei Aspekte, die ihn für uns sehr schwer fassbar machen. Obwohl wir alle die Atmosphäre mit Klimagasen belasten, spüren wir gerade hier in unserer hoch entwickelten Industriegesellschaft die Auswirkungen unseres Tuns nur sehr beschränkt. Mit dieser konfrontiert sind zurzeit vor allem die exponierten und verwundbaren Menschen in den Ländern des Südens. Und natürlich die kommenden Generationen. SP: Und genau hier setzen wir mit unseren Bildungsprojekten wie zum Beispiel der Energie- und Klimawerkstatt an: Wir sensibilisieren zum Thema, zeigen vor allem aber auch Handlungsmöglichkeiten auf und werden zusammen mit den Teilnehmenden aktiv. Jede und jeder kann und soll dank und mit unseren Projekten einen Beitrag für eine klimafreundliche Zukunft leisten.
Wie kam myclimate auf die Idee der Energie- und Klimawerkstatt? BG: Die Energie- und Klimawerkstatt wurde von Beginn weg ganz gezielt als Berufsbildungsprojekt entwickelt. In der Lehre erlangen junge Erwachsene ganz viele neue berufliche Fähigkeiten. Mit der Energie- und Klimawerkstatt können wir ihnen zeigen, dass sie mit diesen Fertigkeiten einen wertvollen Beitrag für unsere Zukunft leisten können. Durch ihre Projekte haben sie zudem einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die anderen Mitarbeitenden im Betrieb.
Wie motivieren Sie denn die Lernenden zur Teilnahme? SP: Ehrlich gesagt sind wir immer wieder erstaunt, wie wenig Anschubmotivation es von unserer Seite her überhaupt braucht. Die Sensibilität beziehungsweise das Wissen zum Thema ist bei den Jungen heute gut. Was es aber braucht, ist etwas Unterstützung, um den ersten Schritt zu machen. Hier helfen der Wettbewerbscharakter des Projekts, die attraktiven Preise, die es zu gewinnen gibt, und nicht zuletzt die inspirierenden Erfolgsgeschichten der anderen Lernenden. Die Energie- und Klimawerkstatt bietet den Lernenden zudem die Gelegenheit, noch in der Lehre ein grösseres Projekt selbst anzupacken und zu managen.
Haben denn die Lernenden überhaupt die Möglichkeit, in ihrem Betrieb etwas zu bewirken? BG: Das ist eine Befürchtung, die öfters aufkommt. Unsere Erfahrung zeigt: Sie haben einen grösseren Einfluss, als die meisten denken! Sogar sie selbst. Auch wenn die typischen Projekte nicht über grosse Investitionsbudgets verfügen, die Lernenden sind nicht die, von denen Energiespar- und Klimaschutzengagement für den Betrieb erwartet wird. Das schafft Aufmerksamkeit sowie Unterstützung und Anerkennung auf allen Bereichen und Stufen, nicht selten bis hoch zur Geschäftsleitung. SP: Jede und jeder kann mit seinen Entscheidungen dazu beitragen, dass die Zukunft nachhaltiger ist. Auch ein Lernender. Alleine er entscheidet, ob er nun den Entwurf eines Auftrags doppelseitig ausdruckt, ob er den Computer nach Feierabend ausschaltet oder ob er den Kaffeepappbecher noch ein zweites Mal verwendet – und genau diese kleinen Entscheide können Grosses bewirken, wenn sie durch eine Sensibilisierungsmassnahme im ganzen Betrieb positiv fürs Klima gefällt werden. Als neuer Mitarbeitender fallen einem Lernenden auch Prozesse auf, die langjährige Mitarbeitende nicht mehr hinterfragen.
Wieso machen die Firmen/Lehrbetriebe mit? BG: Firmen und Lehrbetriebe gewinnen auf vielen Ebenen. Einerseits profitieren sie von den Ideen und der Motivation der Lernenden. Anderseits können Sie durch die Projekte auch ganz konkret Energie- und Stromkosten sparen. Ein wichtiger Teil der Projektentwicklung der Lernenden ist es deshalb, dies dem Betrieb aufzuzeigen. Die Energie- und Klimawerkstatt bietet Unternehmen zudem eine sympathische Plattform, um das eigene soziale und ökologische Engagement unaufdringlich und nachhaltig in Szene zu setzen.
Text: eco2friendly, eco2friendly-Magazin Ausgabe 15
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